Donnerstag, 27. September 2012

Solidarpakt

Auf Dauer ist es sicher nicht sehr erquicklich, wenn man selbst krank ist, während alle anderen gesund um einen rumspringen. Da wünscht man sich doch ein wenig mehr Solidarität. Dieser Meinung scheint auf jeden Fall mein Immunsystem zu sein und hat dementsprechend zu meinem großen Verdruss an einigen Stellen seinen Dienst bis auf weiteres eingestellt, damit Lena sich nicht so alleine fühlt.
Natürlich lässt sich eine banale mütterliche Erkältung nicht mit Lenas Erkrankung vergleichen, das wäre ja geradezu absurd, deshalb möge mir das auch bitte niemand unterstellen. Aber ich leide trotzdem ein bisschen. Zum einen, weil jetzt abends Getränke auf der Karte stehen, auf die ich lieber verzichten würde.
Zum anderen gerate ich zur Zeit geradezu in Panik, wenn ich bei mir selbst irgendein Zipperlein feststelle, weil ich natürlich Angst habe, Lena anzustecken - und das lässt sich bei unserer momentan sehr symbiotischen Beziehung auf Dauer kaum vermeiden. Also muss ich den Umweg über  sämtliche homöopathische Kügelchen und Tröpfchen meiden und gleich zu den harten Sachen greifen, Mundschutz inklusive. Zum Glück sind meine anderen Gebrechen wie demolierte Bandscheiben und Hüftringe nicht ansteckend.

Letztere haben gestern mal wieder mächtig Nachschub bekommen. Leonard hat zusammen mit seinen Freunden seinen 7. Geburtstag gefeiert - in einer Kletterhalle. Die Kinder hatten einen Riesenspaß und hingen gut zwei Stunden wie die Affen in den Kletterwänden, derweil ich mich über das Kuchenbuffett hergemacht habe. Ich bin nicht ganz sicher, ob es der Kummer ist, der mich über Unmengen von Pflaumenkuchen mit extra viel Sahne und Biskuitrollen herfallen lässt, oder ob es doch eher die ersten Vorboten des Alters sind. Als ich noch eine junge Studentin in den Zwanzigern war, haben meine Freundin Daphne und ich uns ausgemalt, wie wir in unseren reiferen  Jahren (ein schauriger Begriff, ich weiß) jeden Nachmittag bei Sahnetorte und Eierlikör in der Konditorei sitzen würden, doch irgendwie habe ich mir das damals ganz anders vorgestellt. Was ist, wenn ich evolutionstechnisch gesehen bei Smartiestorte stehenbleibe und es statt Eierlikör nur Wick Medinait gibt? Das wäre ganz schlecht!

Der Geburtstag war dennoch ein großer Erfolg und ich habe ihn abends entspannt ausklingen lassen - vor der Glotze mit Lena, wo sonst? Obwohl wir noch nicht ganz durch sind mit den Kennedys, schauen wir jetzt parallel dazu eine eher zeitgenössische Familiensaga: Modern Family. Sehr witzig, sehr kurzweilig und sehr zu empfehlen, wenn man sich gemeinsam mit seiner 14-jährigen Tochter etwas anschauen möchte, worüber beide gleichermaßen lachen und sich identifizieren können. So haben wir trotz aller Sorgen doch auch eine Menge Spaß zusammen - und welche Mutter kann schon für sich in Anspruch nehmen, soviel überwiegend harmonische Zeit mit ihrer Teenager-Tochter zu verbringen? Dafür bin ich trotz allem wirklich sehr dankbar und baue insgeheim darauf, dass sich das auch in späteren Jahren, an die ich sehr optimistisch glaube, bezahlt macht. Insofern trägt hoffentlich auch mein aktueller Gesundheitseinbruch zu einer weiteren Intensivierung des "Yes, we can"-Gefühls bei, wenn wir abends gemeinsam unsere Medikamente sortieren.