Donnerstag, 27. September 2012

Solidarpakt

Auf Dauer ist es sicher nicht sehr erquicklich, wenn man selbst krank ist, während alle anderen gesund um einen rumspringen. Da wünscht man sich doch ein wenig mehr Solidarität. Dieser Meinung scheint auf jeden Fall mein Immunsystem zu sein und hat dementsprechend zu meinem großen Verdruss an einigen Stellen seinen Dienst bis auf weiteres eingestellt, damit Lena sich nicht so alleine fühlt.
Natürlich lässt sich eine banale mütterliche Erkältung nicht mit Lenas Erkrankung vergleichen, das wäre ja geradezu absurd, deshalb möge mir das auch bitte niemand unterstellen. Aber ich leide trotzdem ein bisschen. Zum einen, weil jetzt abends Getränke auf der Karte stehen, auf die ich lieber verzichten würde.
Zum anderen gerate ich zur Zeit geradezu in Panik, wenn ich bei mir selbst irgendein Zipperlein feststelle, weil ich natürlich Angst habe, Lena anzustecken - und das lässt sich bei unserer momentan sehr symbiotischen Beziehung auf Dauer kaum vermeiden. Also muss ich den Umweg über  sämtliche homöopathische Kügelchen und Tröpfchen meiden und gleich zu den harten Sachen greifen, Mundschutz inklusive. Zum Glück sind meine anderen Gebrechen wie demolierte Bandscheiben und Hüftringe nicht ansteckend.

Letztere haben gestern mal wieder mächtig Nachschub bekommen. Leonard hat zusammen mit seinen Freunden seinen 7. Geburtstag gefeiert - in einer Kletterhalle. Die Kinder hatten einen Riesenspaß und hingen gut zwei Stunden wie die Affen in den Kletterwänden, derweil ich mich über das Kuchenbuffett hergemacht habe. Ich bin nicht ganz sicher, ob es der Kummer ist, der mich über Unmengen von Pflaumenkuchen mit extra viel Sahne und Biskuitrollen herfallen lässt, oder ob es doch eher die ersten Vorboten des Alters sind. Als ich noch eine junge Studentin in den Zwanzigern war, haben meine Freundin Daphne und ich uns ausgemalt, wie wir in unseren reiferen  Jahren (ein schauriger Begriff, ich weiß) jeden Nachmittag bei Sahnetorte und Eierlikör in der Konditorei sitzen würden, doch irgendwie habe ich mir das damals ganz anders vorgestellt. Was ist, wenn ich evolutionstechnisch gesehen bei Smartiestorte stehenbleibe und es statt Eierlikör nur Wick Medinait gibt? Das wäre ganz schlecht!

Der Geburtstag war dennoch ein großer Erfolg und ich habe ihn abends entspannt ausklingen lassen - vor der Glotze mit Lena, wo sonst? Obwohl wir noch nicht ganz durch sind mit den Kennedys, schauen wir jetzt parallel dazu eine eher zeitgenössische Familiensaga: Modern Family. Sehr witzig, sehr kurzweilig und sehr zu empfehlen, wenn man sich gemeinsam mit seiner 14-jährigen Tochter etwas anschauen möchte, worüber beide gleichermaßen lachen und sich identifizieren können. So haben wir trotz aller Sorgen doch auch eine Menge Spaß zusammen - und welche Mutter kann schon für sich in Anspruch nehmen, soviel überwiegend harmonische Zeit mit ihrer Teenager-Tochter zu verbringen? Dafür bin ich trotz allem wirklich sehr dankbar und baue insgeheim darauf, dass sich das auch in späteren Jahren, an die ich sehr optimistisch glaube, bezahlt macht. Insofern trägt hoffentlich auch mein aktueller Gesundheitseinbruch zu einer weiteren Intensivierung des "Yes, we can"-Gefühls bei, wenn wir abends gemeinsam unsere Medikamente sortieren.


Montag, 24. September 2012

Neues aus der Anstalt

Um es mal gleich vorwegzunehmen - wirkliche Neuigkeiten gibt es eigentlich nicht wirklich, eher Updates, aber auch das ist ja nicht ganz schlecht. Es ist schön, wenn Patient und Pflegekraft zumindest einigermaßen auf dem Laufenden sind über das, was in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten geplant ist. 

Nach einem längeren Gespräch mit Professor Klingebiel, der als oberste Instanz über Lenas Therapie wacht, wurde heute etwa beschlossen, dass die Anti-Pilztherapie weiterhin ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens sein wird - und zwar mindestens für die nächsten zwei Monate. Das freut in erster Linie die Hersteller der Antimykotika Caspofungin und V-Fent, die dank uns zur Zeit monatlich etwa 36.000,- Euro mehr auf ihrem Geschäftskonto haben, aber natürlich auch den Rest der Pharmabranche, denn unser täglicher Bedarf an Spritzen, Kanülen, NaCl-Ampullen, Heparin, Desinfektionssprays, Infusionsleitungen etc.pp ist für einen Privathaushalt schon sehr beachtlich. 


Auch wenn uns dieses tägliche Programm weiterhin zu Sklaven eines überaus strengen Zeitregimes macht, hat es nicht nur Nachteile. Schließlich soll die intensive Pilztherapie nicht nur der bestehenden Aspergillose den endgültigen Garaus machen, sondern sie bedeutet auch einen gewissen Schutz vor einer neuerlichen Infektion mit einem nicht zu unterschätzenden Gegner, der vor allem jetzt zu Herbstbeginn überall unsichtbar in der Luft lauert und Lena bereits einmal fast das Leben gekostet hat. Also immer her mit den Medikamenten, da kann das Mütterlein nachts besser schlafen.
Ansonsten beginnt Lena heute wieder mit den täglichen Chemotabletten Thioguanin. Die stationären Chemomaßnahmen sind weiterhin ausgesetzt, da Lenas Blutwerte eine solche Therapie zur Zeit einfach nicht hergeben. Stattdessen steht nun die große Frage im Raum, ob man den fünften Intensiv-Chemoblock, der durch die Pilzinfektion ja nicht mehr gestartet werden konnte, das Risiko tatsächlich wert ist. Mittlerweile liegt die zeitliche Verzögerung bei gut drei Monaten und deshalb muss man sich natürlich irgendwann auch mal fragen, ob ein solcher Block überhaupt noch Sinn macht. Darüber wird in den nächsten Tagen die Studienkommission des sogenannten BFM - AML 2004 Protokolls beraten. Seit April 2012 gibt es ein neues Protokoll, das allerdings bei Lenas Therapiebeginn noch nicht veröffentlicht war. In diesem Protokoll finden sich leichte Modifizierungen bei der Behandlung, die natürlich auch in die Überlegungen bezüglich des fünften Blocks mit einfließen werden. Nach diesem neuen Studienprotokoll würde Lena jedenfalls "nur" noch als Standardrisikopatientin behandelt werden statt als Hochrisikopatientin, wie das bei ihr aktuell immer noch der Fall ist. Das immerhin finde ich ganz beruhigend, auch wenn ich nur mit bescheidenen Medizinkenntnissen ausgestattet bin. 

Kurz zusammengefasst dümpeln wir also weiterhin zwischen Klinik und häuslicher Krankenpflege hin und her. Auf Dauer ist das leider ziemlich öde, also gilt es, etwas Abwechslung in unseren Tagesablauf zu bekommen. Seit neustem kommt zweimal wöchentlich eine sehr nette Physiotherapeutin zu Lena, außerdem habe ich ihre alte Mathenachhilfelehrerin reaktiviert, so dass auch ein bisschen Denksport angesagt ist. So richtig aufregend ist das natürlich nicht, aber immerhin ein Anfang. Vielleicht dürfen wir ja irgendwann sogar mal ins Kino oder in die Stadt - und das fällt dann schon in die Rubrik Pimp my day!!! 

Apropos aufregend - ich stelle an mir selbst leider eine leicht beunruhigende Aggressionstendenz fest. Vielleicht ist die Tatsache, dass ich mich als Mutter so ohnmächtig fühle gegenüber der Krankheit meines Kindes, der Grund dafür, dass ich mich zunehmend über eigentlich wirklich unwichtige Dinge aufrege wie zum Beispiel die Art und Weise, wie unsere Haushaltshilfe die Spülmaschine oder den Kühlschrank einräumt. Von meinen verbalen Ausfällen beim Autofahren möchte ich hier gar nicht sprechen. Der monatelange Aufenthalt im Krankenhaus und die Fremdbestimmung durch die Krankheit hat meiner ohnehin nicht sehr ausgeprägten Frustrationstoleranz jedenfalls nicht wirklich gut getan. Wenn ich nicht so darauf angewiesen wäre, hätte ich meine Haushaltshilfe schon längst gefeuert und Autofahren würde ich am liebsten nur noch nachts, wenn außer mir kaum Leute unterwegs sind, zumindest nicht die, die mit angezogener Handbremse und Tempomat durch die Gegend fahren.
Vielleicht sollte ich es doch nochmal mit hochdosiertem Johanniskraut versuchen. Angeblich wird man dadurch deutlich gelassener. Andererseits besteht die Gefahr von hässlichen Pigmentstörungen - und davon bekomme ich erst recht schlechte Laune. Da trinke ich doch lieber mein geliebtes abendliches Glas Rotwein und halte es ansonsten mit Voltaire, der einst sagte:

Life is a shipwreck, but we must not forget to sing in the lifeboats...


Donnerstag, 20. September 2012

Glückspilze

Endlich gibt es mal wirklich gute Nachrichten - zumindest, was Lenas botanische Probleme betrifft. Bevor wir gestern zur Lumbalpunktion anrücken mussten, haben wir noch unseren Freunden, den Radiologen, einen Besuch abgestattet. Alle Leser des ehemaligen Newsletters wissen, dass solche Treffen in der Vergangenheit immer eher problematisch waren, um es mal gemäßigt auszudrücken. Doch gestern hatten wir endlich mal Glück! Nach kurzen anfänglichen Abstimmungsproblemen bezüglich unseres Termins und der damit verbundenen Wartezeit konnten wir uns praktisch in Rekordzeit in die Untersuchungsräumlichkeiten vorarbeiten und dann ging es eigentlich auch alles relativ flott. Es galt abzuklären, ob und inwieweit die mittlerweile fast drei Monate andauernde Therapie mit Antimykotika bislang erfolgreich gewesen ist. 
Anfang Juli hatte sich die Aspergillose sehr großflächig in Lenas einem Lungenflügel ausgebreitet - wie Ihr wisst, war ihr Zustand zu diesem Zeitpunkt extrem kritisch. Zu unserer großen Erleichterung sieht es inzwischen aber deutlich besser aus - die Medikamente, die etwa den Gegenwert des Inhalts von Fort Knox haben, sind ihr Geld offensichtlich wert und haben das getan, was wir von ihnen erwartet bzw. uns erhofft haben. Bildlich stellt sich das Ganze in etwa so dar:
Vorher

Nachher
Die Ärzte sind sehr zufrieden - und wir sind es auch. Natürlich beeinflusst diese gute Nachricht letztendlich nicht Lenas AML, aber man muss alle Siege feiern, so klein und unbedeutend sie manchmal auch erscheinen mögen, wenn man das "große Ganze" betrachtet.Lenas Lumbalpunktion verlief ebenfalls ohne nennenswerte Schwierigkeiten und diesmal mussten wir nur vier Stunden warten statt sechs, wie beim letzten Mal. 
Um den Tag perfekt zu machen, durfte ich dann gestern Abend noch mit meiner Freundin Ariane, die Geburtstag hatte, und ihrem Mann in Erno's Bistro zu Abend essen, nichtwissend, dass nicht nur der Geburtstag gefeiert wurde, sondern auch noch der Hochzeitstag. Wenn das keine Ehre ist und der ganze Tag Lena und mich nicht zu  echten Glückspilzen gemacht hat, dann weiß ich es nicht... 

Ansonsten möchte ich das Wort Pilz bis auf Weiteres nur noch in den Mund nehmen, wenn es absolut notwendig ist.



Dienstag, 18. September 2012

Kinder, wie die Zeit vergeht...

Seit der letzten Lumbalpunktion sind schon wieder zwei Wochen rum, einfach so! 
Das bedeutet aber nicht nur, dass uns die Tage nur so um die Ohren fliegen, sondern auch, dass wir morgen früh wieder einrücken auf Station 32-4. Bevor Lena abermals punktiert wird, müssen wir allerdings noch "schnell" zum CT, denn mittlerweile sind sich die Ärzte und ich darüber einig geworden, dass es vielleicht ganz schlau wäre mal nachzuschauen, was ihre Lungenaspergillose so macht. Auf jeden Fall nehme ich mir einen Liegestuhl mit, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass "schnell" ein äußerst dehnbarer Begriff ist, zumindest bei den Radiologen in der Uniklinik. 
So oder so haben wir morgen also einen langen und anstrengenden, aber hoffentlich auch aufschlussreichen Tag vor uns, über dessen Verlauf und Ergebnisse ich Euch natürlich berichten werde. Vielleicht gibt es sogar ein kleines bisschen "Germany's Next Top Koch"-Feeling und ich habe ein schönes Foto für Euch - vom Mittagessen...

Sonntag, 16. September 2012

Freitag, der 14.

Freitag war ein ganz besonderer Tag - in vielerlei Hinsicht. 
Zum einen hatten wir siebenmonatiges "Jubiläum" - soviel Zeit ist seit der Diagnosestellung am 14. Februar 2012 vergangen. Und obwohl ich mich eigentlich nur für ein bisschen abergläubisch halte, habe ich doch gemerkt, wie unglaublich nervös es mich gemacht hat, dass ausgerechnet an diesem speziellen Datum die Punktion durchgeführt wurde, die Aufschluss darüber geben sollte, ob Lena einen Rückfall erlitten hat oder nicht. Ihre Blutwerte sind nach wie vor jenseits von bescheiden und in den letzten Tagen hat sich ja auch bei den Ärzten definitiv so etwas wie Nervosität bemerkbar gemacht. Insofern waren die zwei Tage vor dem Eingriff und die Stunden danach eine echte Tortur. Ich bin sogar soweit gegangen, mir selbst zu schwören, niemals wieder ein paar Schuhe im Internet zu kaufen, wenn wir nur bitte ein gutes Ergebnis bekommen. 
Das hört sich jetzt eventuell eine Spur zu flapsig oder sogar ziemlich unpassend an, aber eines ist mir inzwischen klar geworden. So etwas wie Political Correctness, bzw. Cancer Correctness gibt es nicht beim Umgang mit Krebs. Jeder Mensch, ob nun direkt Betroffener, Angehöriger, Freund oder auch Feind, geht mit dem Thema völlig anders um. Es gibt ein amerikanisches Buch namens Facing Cancer Together, das von einer ehemaligen Patientin geschrieben wurde. Ich habe ein wenig darin rumgeblättert und festgestellt, dass viele der Dinge, die für die Autorin hilfreich waren und die sie anderen im Umgang mit Krebspatienten rät, für Lena wahrscheinlich der größte anzunehmende Horror wären, wie zum Beispiel Bring Food oder Decorate the Hospital Room. Insgesamt ist die Idee, eine Art Ratgeber zu schreiben, sicherlich sehr ehrenwert, aber am Ende doch eine höchst subjektive Angelegenheit. Und deshalb erlaube ich mir auch "Schuhkommentare" - denn mir hilft es im Moment vor allem, nicht den Humor zu verlieren. Natürlich ist das nicht in jeder Situation möglich, aber wenn es sich irgendwie machen lässt, versuche ich der Bedrohung mit einem ironischen Lächeln im Gesicht zu begegnen. Bitte versucht Euch daran zu erinnern, falls ich demnächst mal etwas über meine Bad Hairdays schreibe. Denn eigentlich wäre das natürlich Lenas Job. 
Auf jeden Fall ist mein Flehen offensichtlich erhört worden. Nach schier unendlichen fünf Stunden kam die erlösende Nachricht, dass in Lenas Knochenmark im wahrsten Sinne des Wortes gar nichts gefunden wurde - auch KEINE Leukämiezellen! Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, wie unglaublich erleichternd das war. Zwar bedeutet das nicht, dass Lena damit aus dem Gröbsten heraus ist, aber zumindest ist sie zu diesem Zeitpunkt nach wie vor in voller Remission - und das ist erst einmal das Allerwichtigste. Die Freude darüber ist und war so groß, dass sie sich offensichtlich auch kurzfristig über meine Geschmacksnerven gelegt bzw. diese zeitweise gelähmt hat - auf jeden Fall habe ich am Freitag das erste Mal ein komplettes Klinikessen zu mir genommen, inclusive Wackelpudding!
Auch sonst war das Wochenende ein voller Erfolg. Nach einer wie eine Ewigkeit anmutenden Wartezeit von ich weiß nicht wievielen Wochen und Monaten, sind in der vergangen Woche endlich die Fenster in unserem Haus eingebaut worden, was bedeutet, dass wir eventuell doch noch dieses Jahr einziehen können. Es ist Lenas größter Wunsch, Weihnachten mit der versammelten Großfamilie im neuen Haus zu feiern und wir werden uns nach Kräften bemühen, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Auch für die beiden Kleinen wäre es natürlich eine große Freude und Erleichterung, endlich dort zu leben, wo sie zur Schule bzw. in den Kindergarten gehen und wo all ihre Freunde wohnen. Dann hat auch endlich die elende Geburtstagsplanung ein Ende. Damit nicht Leos ganze Schulklasse zu uns nach Frankfurt zum Feiern kommen muss, lagern wir das diesjährige Großereignis in einen Sportpark im Taunus aus, wo sich die Kinder an Kletterwänden austoben sollen. Obwohl sich so etwas ganz gut organisieren lässt, steht mir dennoch jetzt schon der Schweiß auf der Stirn, ob das alles gut enden wird. 
Emilia hat beschlossen, dass sie nicht mehr alleine in ihrem Zimmer schlafen, sondern bei ihrem Bruder einziehen möchte, weil sie ansonsten vereinsamt (O-Ton). Der lehnt das allerdings rigoros ab... Mädchenkram... So macht man sich um jedes Kind seine ganz individuellen Sorgen. Eines haben die beiden allerdings gemeinsam - nämlich ihre aktuelle Lieblingsantwort auf absolut alles, worum ich sie bitte: "Ich denke überhaupt nicht daran!" Der einzige, der keine Widerworte gibt, ist der Hund. Manchmal denke ich, dass es im Krankenhaus eigentlich doch ganz schön ist...




Donnerstag, 13. September 2012

Alles nichts, oder?


Aktuell läuft es leider nicht so richtig rund. Gestern musste Lena wieder zur Blutbildkontrolle ins Krankenhaus, wo man mit den Ergebnissen derselbigen allerdings nicht so zufrieden war. Obwohl Lena in der letzten Woche ihren Chemococktail „nur“ in Form einer  Lumbalpunktion verabreicht bekommen hat, sind ihre Werte mal wieder völlig in den Keller gerauscht – und da sind sie bislang auch geblieben. Weil sich das in der Klinik keiner so richtig erklären kann, ist für morgen früh nun eine außerplanmäßige Knochenmarkspunktion angesetzt, denn nur dort kann man sehen, was bei Lena zur Zeit los ist bzw. was nicht. Ich versuche, nicht zu nervös zu sein. Die wahrscheinlichste Erklärung ist eine sogenannte „Makrophagenaktivierung“, was laienhaft übersetzt ungefähr bedeutet, dass Lenas körpereigene Fresszellen sich gegen die „guten“ Zellen wenden und diese vernichten, bevor sie im Blut angekommen sind. Das hört sich dramatischer an, als es ist, aber dieses Phänomen konnte man bei ihr nun bereits dreimal nachweisen und es ist behandlungsbedürftig. Da liegt aber leider auch der Hase im Pfeffer begraben. Klassischerweise wird einer solchen Entwicklung mit Immunglobulinen entgegengesteuert, aber die verträgt Lena nicht – das haben drei allergische Schocks eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die Alternative heißt Tee trinken und abwarten, aber das fällt naturgemäß schwer und ist mit Risiken verbunden. Andererseits ist natürlich alles besser als eine mögliche Rückkehr der Leukämiezellen, aber daran wollen wir im Moment nicht denken.
Die Angst und Nervosität zu verdrängen, gehört allerdings auch nicht zu meinen größten Stärken. Zwischendurch werde ich davon so überfallen, dass ich glaube, keine Luft mehr zu bekommen, doch solche Gefühle schüttele ich relativ schnell wieder ab, ganz einfach deshalb, weil ich sie mir nicht leisten kann. Schlimmer ist die permanente, unterschwellige Sorge, die mich dazu bringt, auch das noch so kleinste Detail zu analysieren und zu interpretieren, sei es etwas, was sie sagt, wie sie aussieht, wie sie mich anschaut, wie sie schläft, wie sie sich fühlt... Solange ich wach bin, mache ich mir Sorgen, dass etwas nicht stimmt und die nächste Katastrophe gerade Anlauf nimmt, um uns dann zu überrennen. Auf Dauer ist das unglaublich zermürbend. Ich hätte so gerne mal einen Tag lang „sorgenfrei“! Nicht hitzefrei, nicht beitragsfrei, nicht bügel- oder kalorienfrei, nein! SORGENFREI, das will ich, nur für 24 Stunden oder vielleicht sogar mal ein ganzes Wochenende lang.
Leider sind die Aussichten diesbezüglich mehr als schlecht. Also gilt es, die Situation so weit wie eben möglich zu optimieren. Die Möglichkeiten sind nicht unbegrenzt, aber vielfältig.
Diesen mehr als wunderbaren Wein hat mir mein Freund Peter Roos geschickt und ich habe ihn zusammen mit meiner ebenfalls sehr wunderbaren Freundin Nele, die ich auf der Kinderkrebsstation kennen- und liebengelernt habe, vor lauter Begeisterung an einem Abend ausgetrunken. Bitte versteht mich nicht falsch. Ich möchte hier keinesfalls übermäßigen Alkoholkonsum als Allheilmittel gegen Sorgen jeglicher Art anpreisen, ganz im Gegenteil. Aber erstens sind 0,75l Wein geteilt durch zwei nur noch 0,375l pro Person, zweitens ist Rotwein gut für die Herzkranzgefäße und drittens muss ich schon die ganze Zeit ständig vernünftig und verantwortungsbewußt und stark und ich weiß nicht, was sonst noch alles sein. Also machen ein paar mentale Lockerungsübungen mithilfe eines guten Weins sehr viel Sinn. Und last but not least trinke ich auch nicht nur Wein.
Diesen Tee trinke ich gemeinsam mit Lena, bevor wir abends ins Bett gehen. Meine Schwägerin Annika hat ihn mir aus Lndon geschickt und ich bilde mir ein, dass ich davon gut schlafen kann, was in unserer Situation ja auch nicht ganz unwichtig ist. Jedenfalls schmeckt er entgegen meiner Vorurteile gegen Kamillentee ganz köstlich und ist bestimmt sehr gesund.
Nicht so gesund sind die weißen Schokoladentrüffel von Meyer, aber das ist egal. Sie schmecken und machen für ein paar Minuten richtig glücklich.

Außerdem mache ich zum Ausgleich ja seit ein paar Wochen Yoga und ich kann nur sagen, dass es so ziemlich das Beste ist, was mir in den letzten Monaten passiert ist. Damit beschließe ich auch meine heutigen Ausführungen, denn just in diesem Moment klingelt es an der Tür und meine Yoga-Lehrerin ist da.
Namaste!

P.S. Bitte drückt die Daumen für morgen!



Montag, 10. September 2012

Havarie, Teil 2

Na prima - wir haben ein Leck, genauer gesagt, Lenas Hickmann-Katheter.
Nachdem dieser für Lena so überaus wichtige Zugang bereits im Juni von ein paar übereifrigen Radiologen bei einer der zahlreichen CT-Untersuchungen ihrer Lunge mittels Kontrastmittel gesprengt worden war, zum Glück aber repariert werden konnte, drohte er nun gestern endgültig in die Knie zu gehen. Logisch, an einem Sonntag, wann sonst? Nach telefonischer Rücksprache mit der Tagesklinik wurde Lena einbestellt. Dabei lief es doch gerade so gut. Ich habe mich mittlerweile richtig schön eingegrooved in meine neue Rolle als Krankenschwester und scheue die Fahrt ins Krankenhaus nun noch mehr als zuvor. Aber was sein muss, muss sein – ein möglicherweise defekter Hickie ist eine ernste Angelegenheit. Doch scheinbar verhält es sich mit einem Katheter ähnlich wie mit einem Auto. Kaum in der Werkstatt bzw. dem Krankenhaus angekommen, gab es irgendwie nicht mehr viel zu sehen. Die Bereitschaftsärztin, die vom Hickmann noch weniger Ahnung hatte als Lena, ihr Papa und ich zusammen, konnte nichts finden. Heute waren wir abermals in der Klinik, wo nun beschlossen wurde, dass der Katheter am Freitag ein weiteres Mal gewissermaßen in die Inspektion muss und etwaige Schäden hernach behoben bzw. repariert werden. Wie beim Auto eben. Bis dahin fahren wir halt ein paar Tage mit eventuell defekten Bremsen. Ein schöner Gedanke.
Auch Lenas Blutwerte lassen zu wünschen übrig. Obwohl selbst die minimal dosierte Chemotablette bereits vorletzte Woche aus ihrem Medikationsplan gestrichen wurde, geht es zwar manchmal hoch, aber meistens auch ziemlich schnell wieder bergab mit ihren Werten. Diesmal ist eventuell die Lumbalpunktion vom vergangenen Mittwoch der Übeltäter. Aber unsere Hoffnung, dass Lena vielleicht mal stundenweise in die Schule würde gehen können, ist damit wie so viele Male zuvor im Keim erstickt. Nun wird es wieder einige Tage dauern, bis sie sich etwas erholt hat. Leider steht dann am kommenden Mittwoch die nächste Punktion im Kalender, die begleitet wird von vier Tagen stationärer Cytarabin-Therapie. Wie sie so wertetechnisch auf einen grünen Zweig kommen soll, ist mir schleierhaft, aber leider gibt es keine wirklich vernünftigen Alternativen. Dementsprechend werden wir in den nächsten Wochen also erstmal wieder in der Klinik sein, aber solange wir danach abends dann und wann mal nach Hause dürfen, ist Polen noch nicht verloren. Zaczynamy!

Freitag, 7. September 2012

Havarie

Da Lena ja mittlerweile seit sieben Monaten nicht mehr in die Schule geht, habe ich beschlossen, mich zumindest teilweise ganz persönlich um ihre Bildung zu kümmern - und zwar mit Hilfe unseres Fernsehers bzw. mit diversen DVDs. Nachdem wir uns im Fach Biologie nun längere Zeit und in epischer Breite dem Thema Aufklärung gewidmet haben (besonders empfehlen kann ich diesbezüglich übrigens folgende Filme: Keinohrhasen, Zweiohrküken, Wie ausgewechselt, Crazy Stupid Love und natürlich alle Folgen von Sex and the City), ist nun Geschichte dran. Anlässlich der bevorstehenden Präsidentschaftwahlen in den USA habe ich mich für den TV-Mehrteiler Die Kennedys entschieden und diesen käuflich erworben. Mal abgesehen davon, dass bei den Kritiken von verheerend bis euphorisch so ziemlich alles dabei war und seit John F. Kennedys Präsidentschaft durchaus etwas Zeit vergangen ist, arbeitet die Serie in gerade mal acht Folgen schlappe 30 Jahre (1938 - 1968) amerikanische und außenpolitische Zeitgeschichte ab, was Lena ja weiß Gott nichts schaden kann - nach all dem Aufklärungsunterricht.
Jedenfalls haben wir gestern Abend mit unserer geschichtlichen Zeitreise begonnen. Im Rahmen meiner inhaltlichen Vorbereitung bin ich dabei auf folgende Information gestoßen: Bekanntermaßen war Kennedys Witwe Jackie von 1968 bis 1975 mit dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis verheiratet. Offensichtlich verbrachte Jackie aber deutlich zuviel Zeit mit dem Thema Shopping, was ihr von ihrem Ehemann den wenig schmeichelhaften Spitznamen Supertanker einbrachte, da er meinte, dass ihn Jacqueline genauso viel kosten würde wie der Kauf eines Schiffes. Was soll man dazu sagen? Wenn Jackie O. ein Supertanker war, dann sind Lena und ich eindeutig die Costa Concordia. Zur Zeit liegen wir in Frankfurt auf Grund. Alleine unsere Arzt- und Apothekenrechnungen gehen momentan in die Zehntausende - pro Woche. KEIN WITZ!!!! Hinzu kommen ganz aktuell die Kosten für einen funkelniegelnagelneuen Massagesitz sowie ein Fußbad-Massagegerät, mit denen ich versuche, zuhause Day-Spa-Atmosphäre zu verbreiten. Außerdem neue Schuhe und Klamotten (für Mutter und Tochter, damit alles nicht so schrecklich ist), eine Platin-Mitgliedschaft bei Lovefilm, Amazon und Net-a-porter sowie hin und wieder eine Flasche Champagner als Ersatz für meine rosarote Brille, die ich irgendwo verlegt habe. 
Ach, Aristoteles, Du hattest ja keine Ahnung. Anstatt die Scheidung einzureichen und dabei einem Herzinfarkt zu erliegen, hättest Du Deine Jackie lieber mal machen lassen. Aus gesundheitlicher Sicht wäre das jedenfalls eindeutig besser für Dich gewesen - und dass Gesundheit das höchste Gut des Menschen ist, egal ob Supertanker oder Fischkutter, wissen wir ja nicht erst seit gestern. Die Erkenntnis, dass man sich für Geld zwar vieles kaufen kann, nur eben keine Gesundheit, ist ebenfalls nicht neu. Trotzdem bin ich mehr als dankbar dafür, dass wir die Möglichkeit haben, uns das Drumherum so schön wie möglich zu machen - welch ein Privileg. Dafür danke ich in erster Linie meinem Mann. Und wenn es sein muss, von mir aus auch dem lieben Gott. Der hat zwar ansonsten ziemlich viel Mist gebaut in der letzten Zeit, aber immerhin lässt er uns nicht verhungern - und das ist ja auch ganz nett von ihm. 
AMEN!


To blog or not to blog...

Ich liebe Blogs - (fast) immer schon! Vor ein paar Jahren, als ich noch bei 3sat war, fing ich an, regelmäßig darüber zu berichten. Vor allem erinnere ich mich an die sogenannten Warblogger, die beispielsweise ab 2003 aus dem Irak berichteten und Blogs plötzlich als ernstzunehmendes Medium bekannt machten. Danach schossen Blogs wie Pilze aus dem Boden und ich lese sie mittlerweile mindestens ebenso gerne und oft wie die Internetseiten der großen Tageszeitungen und Zeitschriften. Allerdings muss ich zugeben, dass mein Interessensradius doch ziemlich eingeschränkt ist - vor allem in letzter Zeit. Ich lese entweder in Krebs-Blogs oder Fashion- und Beautyblogs, meistens auch genau in dieser Reihenfolge. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen...
Da liegt natürlich die Frage nahe, ob sich nicht beides miteinander kombinieren ließe. Schließlich bin ich eine Mutter und Hausfrau in den besten Jahren, die intensiv versucht, nicht den Verstand zu verlieren. Und dabei helfen mir manchmal einfach die schönen Dinge im Leben, zumindest die, die ich schön finde. Man mag das entsetzlich oberflächlich finden... oder superschlau. Aber warum soll ich eigentlich nicht darüber schreiben, wenn ich DIE Augencreme gefunden habe, die es schafft, mir in all dem Unglück trotzdem noch die Ringe unter den oder die Krähenfüße um die Augen herum wegzuzaubern? Vielleicht gibt es hier irgendwo ja auch noch andere Mütter, die sich über genau so einen Tipp freuen. Oder über eine gute Buchempfehlung... oder ein Foto von einer absolut grandiosen Handtasche. 
In diesem Sinne bin ich auch nämlich auch Warblogger. Ich befinde mich im Krieg gegen die Krankheit meiner Tochter, meine Angst und meine Sorgen und kämpfe dafür, dass wir uns zwischendurch auch besser fühlen - und sei es mit unlauteren Mitteln. An dieser Stelle seien Net-a-porter, Isabel Marrant und La Mer-Creme ebenso erwähnt wie Vino Nobile di Montepulciano, Pasta mit Trüffeln und wunderbare Fernsehserien wie Downton Abbey. 
Neben aktuellen Berichten zur gesundheitlichen Lage und Fotos von NaCl-Flaschen und Infusomaten werde ich mich hier also hin und wieder auch völlig anderen Themen widmen.
Und damit wünsche ich Euch allen eine gute Nacht!

Mittwoch, 5. September 2012

Another day in paradise...

Wahrscheinlich waren Lena und ich bis gestern Abend so ziemlich die einzigen Menschen in Deutschland oder gar Europa, die den wunderbaren Film Ziemlich beste Freunde noch nicht gesehen hatten, aber diesen Missstand haben wir nun endlich behoben. Nach Erin Brockovich, Soul Surfer, Moneyball, Slumdog Millionaire und Julie and Julia ist das der sechste, auf einer wahren Geschichte beruhende Film, den wir uns angeschaut haben und er wandert direkt auf Platz 1 unserer aktuellen Filmcharts. Heute Abend steht Soul Kitchen auf dem Programm. Der ist zwar fiktiv, soll dafür aber auch sehr witzig sein.

Vorher müssen wir aber noch die mittlerweile wahrscheinlich dreitausendste Lumbalpunktion hinter uns bringen und das ist weniger witzig, da wir hier schon wieder seit Stunden in der Klinik rumhängen und warten und absolut NICHTS passiert. Wahrscheinlich muss ich noch ein paar Jahre älter werden, bevor sich mir das Prinzip erschließt, Kinder morgens in aller Herrgottsfrühe einzubestellen, um sie dann stundenlang ohne etwas zu Essen oder zu Trinken warten zu lassen. Da der Eingriff unter Narkose durchgeführt wird, muss Lena nüchtern bleiben. Ich hingegen könnte durchaus einen kleinen Frühstückskorn gebrauchen. Nach der Punktion muss Lena nämlich noch mindestens sechs Stunden absolut still- und flachliegen - und mit irgendwas muss man sich hier ja die Zeit vertreiben. 

Ich wünschte, ich könnte besser gelaunt sein und mich dafür weniger ärgern, da ich ja sowieso nichts an der Situation ändern kann, aber diebezüglich bin ich absolut unfähig. Zu Beginn von Lenas Krankheit dachte ich noch, ich würde nun ein ganz anderer Mensch werden - gelassen, ruhig und geduldig, da ja alles, worüber ich mich normalerweise gerne aufrege, eine absolute Lappalie ist gegen das, was nun unser Leben bestimmt. Doch das war leider ein absoluter Trugschluss. Ich werde immer grantiger und könnte selbst bei der kleinsten Kleinigkeit ausflippen, aber irgendwohin muss ich wahrscheinlich mit meinen Aggressionen. Ich habe auf jeden Fall größtes Verständnis für Gerard Depardieu, der seinen Mitstreitern im Straßenverkehr die elementaren Verkehrsregeln ja gerne mal mittels ein paar ordentlicher Ohrfeigen beibringt. 

Aber was soll's? Hauptsache, wir können heute Abend nach Hause und müssen hier nicht wieder einziehen. Wenn ich an den fünften Chemoblock denke und daran, was dann wieder alles auf mein armes Kind zukommt, macht ein kleiner Schnaps erst recht Sinn... CHEERS!


Samstag, 1. September 2012

Tag 200

Es ist kaum zu glauben, aber heute schreiben wir tatsächlich den 200. Tag, seit wir Lenas Diagnose erhalten haben. 200 Tage voller Bangen, Angst und Sorge, aber auch voller Hoffnung, Freude und Erleichterung, wenn mal wieder eine weitere Klippe ohne nennenswerten Schiffsbruch umfahren worden ist. 
Laut dem Behandlungsplanden man uns zu Beginn der Therapie ausgehändigt hatte, sollte Lenas Intensivtherapie bereits seit zwei Monaten abgeschlossen sein, aber davon sind wir bekanntermaßen meilenweit entfernt. 

Nach dem haM-Block sind wir Mitte Juni wegen der Pilzinfektion in Lenas Lunge sozusagen hängengeblieben. Ihr tägliches Pensum besteht nun nach wie vor aus intravenöser und oraler Pilzprophylaxe, dazu gibt es einen Cocktail aus unterschiedlichsten Antibiotika. Aktuell sind ihre Blutwerte auch wieder so in Mitleidenschaft gezogen worden, dass sie wieder Blut- und Thrombozytentransfusionen benötigt. Die schlechten Werte hängen vermutlich mit den täglichen Chemotabletten zusammen. Außerdem hat sie bereits den ersten ambulanten Cytarabin-Block hinter sich, der auch deutliche Spuren hinterlassen hat. Dementsprechend eiern wir durch die im Moment relativ improvisierte Therapie, deren Fahrplan sich praktisch täglich ändert. Die Chemotabletten sind erst einmal abgesetzt, dafür gibt es alle 14 Tage Lumbalpunktionen mit intrathekalen Cytarabingaben. Die nächste Punktion ist für den 5.9.2012 geplant. Ob und wann der fünfte Chemotherapieblock (HAE) durchgeführt wird, steht dagegen noch in den Sternen - wie so vieles andere auch.
Das ständige Hin und Her ist eine große Belastung für alle, aber es hilft ja nichts. Um zumindest ein wenig Entlastung zu bekommen, habe ich ab nächster Woche einen ambulanten Pflegedienst organisiert, der an drei bis vier Tagen pro Woche zu uns nach Hause kommt und hier die Antimykotika anhängt. Im Moment sind wir gerade damit beschäftigt, ein extra Krankenzimmer für Lena einzurichten, wo die therapeutischen Maßnahmen durchgeführt werden können. Sobald alles einigermaßen fertig ist, werde ich Euch mit Anschauungsmaterial versorgen. Was denkt Ihr? Sollte ich mir eine kleine, schicke Krankenschwesternuniform zulegen?

Schwester Frenzy

Obwohl ich seit mittlerweile vier Jahren keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgehe, bezeichne ich mich dann und wann immer noch als "Journalistin", sei es in meiner Email-Signatur oder gerne auch mal bei einem Abendessen in der feinen Gesellschaft, in der ich meinen Drang, etwas darzustellen, einfach nicht unterdrücken kann. Insgeheim komme ich mir dabei aber immer ein wenig wie eine Hochstaplerin vor, denn seien wir mal ehrlich - meine journalistischen Fähigkeiten habe ich in den letzten Jahren, wenn überhaupt, nur noch zuhause unter Beweis stellen können, wenn ich versucht habe, meinen drei Kindern in geschliffenem Hochdeutsch ein wenig Erziehung angedeihen zu lassen... leider nur mit mäßigem Erfolg. 
Doch so sehr es mich auch dauert, dass ich meinem offiziellen Beruf den Rücken zugewandt habe, so klar bin ich mir natürlich über die Tatsache, dass ich ihn in Zeiten wie diesen ohnehin nicht mehr hätte ausüben können.
Stattdessen habe ich ganz unbemerkt und nebenbei eine Umschulung zur Krankenschwester mit medizinischen Ambitionen durchlaufen. Lenas Blutbild lese ich inzwischen wie früher die VOGUE, ich kenne vermutlich jedes Medikament nebst Nebenwirkungen, das in irgendeinem Zusammenhang mit der Therapie bei AML steht, mit meiner Apothekerin bin ich praktisch per Du und Infusomaten und Injectomaten bediene ich selbst im Tiefschlaf. 
Seit gestern darf ich meinem Tätigkeits-Portfolio nun eine weitere Fertigkeit hinzufügen: Das Abstöpseln von Infusionen sowie das Spritzen von NaCl und Heparin. Ab nächster Woche Donnerstag wird sich an einigen Tagen in der Woche ein ambulanter Pflegedienst um Lena kümmern, so dass wir hoffentlich nicht mehr JEDEN Tag in die Klinik müssen. Da muss dann auch ich ran und mache daher im Moment einen Krankenschwestern-Crashkurs. Das hört sich zwar alles etwas bombastischer an als es wirklich ist, doch wenn man solche Maßnahmen am eigenen Kind durchführt, können einem schon mal die Nerven flattern. Ich war heute jedenfalls sehr stolz darauf, dass ich bislang keinen größeren Schaden angerichtet habe und habe mir daher auch ganz unbescheiden mit meinen sterilen Handschuhen auf die Schulter geklopft. Nächste Woche werden die nötigen Gerätschaften geliefert - und dann sieht es bei uns demnächst fast so aus wie auf Station, nur viel schöner. Wer in den kommenden Wochen irgendeinen Pflegebedarf hat, darf sich gerne bei mir melden.

Adieu Newsletter


Ihr Lieben,
ab heute wird also hier geschrieben... Goodbye Newsletter, welcome Blog...

Nach fast sieben Monaten mit Emails und Verteilerlisten habe ich beschlossen, dass dies zukünftig vielleicht doch das bessere Medium für mich ist. Wann immer ich mich danach fühle, kann ich einfach losschreiben. Somit verliert das Ganze etwas den offiziellen Charakter, was mir ganz lieb ist, denn manchmal möchte ich auch einfach mal über etwas Belangloses wie etwa den neuesten Nagellack von Chanel schreiben, der übrigens auch Pate stand bei der Namensgebung dieses Blogs. Abgesehen von der schönen Farbe gefällt mir der Begriff Frenzy aber auch so, da ich mich zur Zeit ohnehin ständig so fühle, als würde ich nur ganz knapp am endgültigen Wahnsinn vorbeischrammen. Dass ich mich als Girl bezeichne, sei mir trotz meines fortgeschrittenen Alters bitte nachgesehen - ein bisschen Spaß muss in Zeiten wie diesen einfach sein.



Ob und was es Neues gibt, kann also ab sofort jeder immer dann nachschauen, wann es ihm oder ihr gerade passt - und nicht, wenn ich schreibe. Außerdem lässt naturgemäß das Interesse nach einer gewissen Zeit auch nach. Mit diesem Blog bestimme zukünftig also nicht mehr ich, wer was liest, sondern Ihr tut es selbst.

Natürlich werden auf diese Art und Weise auch alle privaten Informationen plötzlich öffentlich. Daher habe ich bisher auch noch keine alten Newsletter ins Archiv eingestellt - ich muss mir noch überlegen, wie ich das handeln möchte. Erst einmal hoffe ich, dass diese Art der Kommunikation Euch einigermaßen entgegenkommt und Ihr mir weiterhin gewogen bleibt.