Mittwoch, 31. Juli 2013

All the things she didn't say...

Es ist nicht leicht, einen Blog zu schreiben, wenn man das, was man wirklich gerne schon immer mal loswerden wollte, nicht schreiben kann, weil man damit Leuten, die einem zwar ständig selbst auf die Füße latschen, ebenfalls auf letztere treten würde, was im Grunde natürlich eine große Befriedigung wäre, gleichzeitig aber weitere Auseinandersetzungen nach sich ziehen könnte, auf die man eigentlich für alle Zeiten, aber gerade in solchen wie diesen prinzipiell gerne verzichten würde... 

Alles klar? Wer das jetzt nicht verstanden hat, dem empfehle ich, mein hoffentlich demnächst fertiges Buch zu kaufen. Dort werde ich nicht länger lauter Blätter vor den Mund nehmen, sondern diese stattdessen vollgeschrieben mit allem, was uns in den letzten anderthalb Jahren so widerfahren ist, was uns glücklich, was uns traurig, was uns ängstlich und was uns euphorisch gemacht hat, wer uns wirklich geärgert hat und nachhaltig auf die Nerven gegangen ist, unter das Volk bringen bzw. unter all diejenigen, die es interessiert.



Der letzte Punkt bereitet mir derzeit allerdings noch etwas Sorge. Ich bin mir nicht sicher, ob ein Buch über die Krebserkrankung meiner wunderbaren Tochter und all die Folgen, die diese nach sich gezogen hat und immer noch zieht, für Außenstehende wirklich interessant sein kann. Andererseits habe ich mir in den letzten Wochen so viele Autobiographien von mir völlig unbekannten Menschen auf meinen Kindle geladen, die von den unterschiedlichsten Problemen handeln, sei es Drogen, Alkohol, Scheidung, Tod, Krankheit, whatever... you name it, they’ve got it. Und obwohl der Schreibstil bisweilen nicht immer mein Fall ist und ich manche Dinge wirklich nur schwer nachvollziehen kann, ist es trotzdem so, dass ich gar nicht mehr aufhören kann, das alles zu lesen. Vielleicht liegt es daran, das ich mich nach der Lektüre zurücklehnen und das wohlige Gefühl genießen kann, dass Scheidung sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch zum Glück nicht auch noch zu meinen Problemen gehören, zumindest bis jetzt nicht. Vielleicht ist es aber auch die versteckte Hoffnung, die in jedem dieser Einzelschicksale steckt: Man kann so vieles schaffen, auch wenn es zunächst einmal völlig aussichtslos wirkt. Und selbst, wenn das Ende nicht immer „happy“ ist, ist jede Extremerfahrung, die man macht, nicht nur eine Lehrstunde für das Leben, sondern ein ganzes Studium, inklusive Vordiplom und Summa-cum-laude-Examen. Das Buch dazu ist die Doktorabeit, garantiert frei von jeglichem Plagiatsvorwurf.



Zur Zeit stecken wir wieder mitten in einer Chemowoche. Wenn alles nach Plan läuft, werde ich danach zum ersten Mal seit der Diagnose im Februar letzten Jahres zehn Tage ohne Lena verreisen. Der Gedanke fällt mir nicht leicht, aber es wird Zeit, wieder ein bisschen mehr Freiheit zu üben – für beide von uns. In der Einöde von Kansas werde ich versuchen, „Frenzy-Girl“ zwischen zwei Buchdeckel zu pressen, bzw. Material herzustellen, das man dann in einer Druckerpresse weiterverarbeiten kann. Ob es tatsächlich so weit kommt, vermag ich zu diesem Zeitpunkt nicht zu sagen, aber ich werde auf jeden Fall daran arbeiten.



Bis dahin genieße ich die Zeit alleine mit Lena. Unser Garten nimmt langsam Gestalt an und das Wetter zeigt sich gnädig. Dasselbe wünsche ich mir von den kommenden Monaten, die hoffentlich die letzten sein werden, in denen wir uns nahezu ohne Unterlass mit dem Thema Krankheit und Tod beschäftigen müssen. Wenn alles gut geht, ist im Oktober Schluss mit den monatlichen Chemoblöcken und den täglichen Medikamenten. Zwar wird es dann auch in den nächsten Jahren noch eine engmaschige Überwachung geben, aber je größer die Pausen zwischen den Krankenhausaufenthalten werden, desto besser gelingt es mir und uns dann hoffentlich auch, die permanente Furcht vor einem Rückfall in den Griff zu bekommen und nach und nach wieder in einem normaleren Leben anzukommen.


Darauf einen eisgekühlten Rosé!