Sonntag, 16. September 2012

Freitag, der 14.

Freitag war ein ganz besonderer Tag - in vielerlei Hinsicht. 
Zum einen hatten wir siebenmonatiges "Jubiläum" - soviel Zeit ist seit der Diagnosestellung am 14. Februar 2012 vergangen. Und obwohl ich mich eigentlich nur für ein bisschen abergläubisch halte, habe ich doch gemerkt, wie unglaublich nervös es mich gemacht hat, dass ausgerechnet an diesem speziellen Datum die Punktion durchgeführt wurde, die Aufschluss darüber geben sollte, ob Lena einen Rückfall erlitten hat oder nicht. Ihre Blutwerte sind nach wie vor jenseits von bescheiden und in den letzten Tagen hat sich ja auch bei den Ärzten definitiv so etwas wie Nervosität bemerkbar gemacht. Insofern waren die zwei Tage vor dem Eingriff und die Stunden danach eine echte Tortur. Ich bin sogar soweit gegangen, mir selbst zu schwören, niemals wieder ein paar Schuhe im Internet zu kaufen, wenn wir nur bitte ein gutes Ergebnis bekommen. 
Das hört sich jetzt eventuell eine Spur zu flapsig oder sogar ziemlich unpassend an, aber eines ist mir inzwischen klar geworden. So etwas wie Political Correctness, bzw. Cancer Correctness gibt es nicht beim Umgang mit Krebs. Jeder Mensch, ob nun direkt Betroffener, Angehöriger, Freund oder auch Feind, geht mit dem Thema völlig anders um. Es gibt ein amerikanisches Buch namens Facing Cancer Together, das von einer ehemaligen Patientin geschrieben wurde. Ich habe ein wenig darin rumgeblättert und festgestellt, dass viele der Dinge, die für die Autorin hilfreich waren und die sie anderen im Umgang mit Krebspatienten rät, für Lena wahrscheinlich der größte anzunehmende Horror wären, wie zum Beispiel Bring Food oder Decorate the Hospital Room. Insgesamt ist die Idee, eine Art Ratgeber zu schreiben, sicherlich sehr ehrenwert, aber am Ende doch eine höchst subjektive Angelegenheit. Und deshalb erlaube ich mir auch "Schuhkommentare" - denn mir hilft es im Moment vor allem, nicht den Humor zu verlieren. Natürlich ist das nicht in jeder Situation möglich, aber wenn es sich irgendwie machen lässt, versuche ich der Bedrohung mit einem ironischen Lächeln im Gesicht zu begegnen. Bitte versucht Euch daran zu erinnern, falls ich demnächst mal etwas über meine Bad Hairdays schreibe. Denn eigentlich wäre das natürlich Lenas Job. 
Auf jeden Fall ist mein Flehen offensichtlich erhört worden. Nach schier unendlichen fünf Stunden kam die erlösende Nachricht, dass in Lenas Knochenmark im wahrsten Sinne des Wortes gar nichts gefunden wurde - auch KEINE Leukämiezellen! Ihr könnt Euch sicherlich vorstellen, wie unglaublich erleichternd das war. Zwar bedeutet das nicht, dass Lena damit aus dem Gröbsten heraus ist, aber zumindest ist sie zu diesem Zeitpunkt nach wie vor in voller Remission - und das ist erst einmal das Allerwichtigste. Die Freude darüber ist und war so groß, dass sie sich offensichtlich auch kurzfristig über meine Geschmacksnerven gelegt bzw. diese zeitweise gelähmt hat - auf jeden Fall habe ich am Freitag das erste Mal ein komplettes Klinikessen zu mir genommen, inclusive Wackelpudding!
Auch sonst war das Wochenende ein voller Erfolg. Nach einer wie eine Ewigkeit anmutenden Wartezeit von ich weiß nicht wievielen Wochen und Monaten, sind in der vergangen Woche endlich die Fenster in unserem Haus eingebaut worden, was bedeutet, dass wir eventuell doch noch dieses Jahr einziehen können. Es ist Lenas größter Wunsch, Weihnachten mit der versammelten Großfamilie im neuen Haus zu feiern und wir werden uns nach Kräften bemühen, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Auch für die beiden Kleinen wäre es natürlich eine große Freude und Erleichterung, endlich dort zu leben, wo sie zur Schule bzw. in den Kindergarten gehen und wo all ihre Freunde wohnen. Dann hat auch endlich die elende Geburtstagsplanung ein Ende. Damit nicht Leos ganze Schulklasse zu uns nach Frankfurt zum Feiern kommen muss, lagern wir das diesjährige Großereignis in einen Sportpark im Taunus aus, wo sich die Kinder an Kletterwänden austoben sollen. Obwohl sich so etwas ganz gut organisieren lässt, steht mir dennoch jetzt schon der Schweiß auf der Stirn, ob das alles gut enden wird. 
Emilia hat beschlossen, dass sie nicht mehr alleine in ihrem Zimmer schlafen, sondern bei ihrem Bruder einziehen möchte, weil sie ansonsten vereinsamt (O-Ton). Der lehnt das allerdings rigoros ab... Mädchenkram... So macht man sich um jedes Kind seine ganz individuellen Sorgen. Eines haben die beiden allerdings gemeinsam - nämlich ihre aktuelle Lieblingsantwort auf absolut alles, worum ich sie bitte: "Ich denke überhaupt nicht daran!" Der einzige, der keine Widerworte gibt, ist der Hund. Manchmal denke ich, dass es im Krankenhaus eigentlich doch ganz schön ist...