Samstag, 1. September 2012

Schwester Frenzy

Obwohl ich seit mittlerweile vier Jahren keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgehe, bezeichne ich mich dann und wann immer noch als "Journalistin", sei es in meiner Email-Signatur oder gerne auch mal bei einem Abendessen in der feinen Gesellschaft, in der ich meinen Drang, etwas darzustellen, einfach nicht unterdrücken kann. Insgeheim komme ich mir dabei aber immer ein wenig wie eine Hochstaplerin vor, denn seien wir mal ehrlich - meine journalistischen Fähigkeiten habe ich in den letzten Jahren, wenn überhaupt, nur noch zuhause unter Beweis stellen können, wenn ich versucht habe, meinen drei Kindern in geschliffenem Hochdeutsch ein wenig Erziehung angedeihen zu lassen... leider nur mit mäßigem Erfolg. 
Doch so sehr es mich auch dauert, dass ich meinem offiziellen Beruf den Rücken zugewandt habe, so klar bin ich mir natürlich über die Tatsache, dass ich ihn in Zeiten wie diesen ohnehin nicht mehr hätte ausüben können.
Stattdessen habe ich ganz unbemerkt und nebenbei eine Umschulung zur Krankenschwester mit medizinischen Ambitionen durchlaufen. Lenas Blutbild lese ich inzwischen wie früher die VOGUE, ich kenne vermutlich jedes Medikament nebst Nebenwirkungen, das in irgendeinem Zusammenhang mit der Therapie bei AML steht, mit meiner Apothekerin bin ich praktisch per Du und Infusomaten und Injectomaten bediene ich selbst im Tiefschlaf. 
Seit gestern darf ich meinem Tätigkeits-Portfolio nun eine weitere Fertigkeit hinzufügen: Das Abstöpseln von Infusionen sowie das Spritzen von NaCl und Heparin. Ab nächster Woche Donnerstag wird sich an einigen Tagen in der Woche ein ambulanter Pflegedienst um Lena kümmern, so dass wir hoffentlich nicht mehr JEDEN Tag in die Klinik müssen. Da muss dann auch ich ran und mache daher im Moment einen Krankenschwestern-Crashkurs. Das hört sich zwar alles etwas bombastischer an als es wirklich ist, doch wenn man solche Maßnahmen am eigenen Kind durchführt, können einem schon mal die Nerven flattern. Ich war heute jedenfalls sehr stolz darauf, dass ich bislang keinen größeren Schaden angerichtet habe und habe mir daher auch ganz unbescheiden mit meinen sterilen Handschuhen auf die Schulter geklopft. Nächste Woche werden die nötigen Gerätschaften geliefert - und dann sieht es bei uns demnächst fast so aus wie auf Station, nur viel schöner. Wer in den kommenden Wochen irgendeinen Pflegebedarf hat, darf sich gerne bei mir melden.