Montag, 1. Oktober 2012

Freud lässt grüßen


Wie Ihr wisst, ist seit dem 14. Februar 2012 sehr vieles bei uns zuhause nicht mehr das, was es mal war. Lenas Diagnose hat unser Leben komplett auf den Kopf gestellt und ist ohne jeden Zweifel das Allerschlimmste, was mir bislang widerfahren ist. Doch obwohl der Schrecken und die Angst immer noch ein ganz dominierender Teil unseres Alltags sind, haben wir uns mittlerweile natürlich auch ein bisschen an das Leben mit der schweren Krankheit gewöhnt. Außerdem keimt von Tag zu Tag das Pflänzchen Hoffnung ein wenig mehr, denn Lena hat sich dank der langen Chemopause inzwischen durchaus ein wenig erholt. Sie ist viel fitter als noch vor wenigen Wochen, es spießen - wenn auch verhalten - die Haare und sie ist psychisch wieder in einer recht ordentlichen Verfassung, von den ganz normalen pubertären Gefühlsturbulenzen mal abgesehen. Manchmal fühlt sich das Leben für einige Momente wieder ganz normal an, was ein wunderbares Gefühl ist.

Allerdings verführt einen dieses Gefühl gelegentlich auch zu einem gewissen Leichtsinn. Getragen von der Euphorie des Moments kann es zum Beispiel vorkommen, dass man ausgeht und glaubt, wieder 21 Jahre alt zu sein und außer einer Vorlesung im übernächsten Wintersemester vorerst keinen weiteren Verpflichtungen nachkommen zu müssen. Aus dieser Illusion am nächsten Morgen zu erwachen, ist im Gegensatz zu oben erwähntem Glücksgefühl keine schöne Erfahrung, sondern eine ganz bittere Pille. Ein(en) erstklassiges/n Hangover (ich bin nicht sicher... heißt es "der Hangover" oder "das Hangover?) kann man sich in seinen Zwanzigern und von mir aus auch noch in seinen Dreißigern erlauben, aber alles andere danach ist einfach nur schlimm. Der einzige Vorteil an einem Haushalt mit krankem Kind ist der große Vorrat an Einweg-Nierenschalen, die bei Übelkeit ein nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel sind. Besser ist es aber, einer solchen Situation von vorneherein aus dem Wege zu gehen - eine Erkenntnis, die ich mir nach einer spektakulären Leichtsinnsattacke am Freitagabend nun hoffentlich für einige Zeit lang werde merken können. Wem der Cocktail aus Wick Medinait und Vodka Sour übrigens ebenfalls nicht gut bekommen zu sein scheint, ist meine Erkältung, die sich am Sonntag voll Grauen aus dem Staub gemacht hat. Immerhin etwas.
Den Rest des Wochenendes habe ich mit Essen verbracht.

Wie es aussieht, hänge ich in einer oralen Phase fest. 

Nach Sigmund Freud befinde ich mich entwicklungstechnisch gesehen auf dem Stand eines etwa sechs Monate alten Babys, das sich durch Essen und Trinken Befriedigung und Spannungsreduktion verschafft. Ganz ehrlich? Das hört sich ziemlich plausibel an! Solange ich nicht anfange, am Daumen zu lutschen, gehe ich zur Abwechslung auch gerne mal als Säugling durch. Allerdings zeichnen sich auf die orale Phase fixierte Menschen angeblich durch eine niedrige Frustrationstoleranz aus und geben schnell auf. Ersteres trifft auf mich zwar bereits jetzt eindeutig zu, aber auf letzteres kann ich gut verzichten - das wäre in unserer Situation ja auch eher kontraproduktiv. Auf Dauer muss ich mich also dringend nach einer Ersatzbefriedigung umsehen, wo wir dann eventuell doch wieder bei den Schuhen landen.

Doch bevor ich mich finanziell ruiniere, erst einmal eine Liste meiner aktuellen und mit Ausnahme von Punkt 3 gar nicht so kostenintensiven Top-Ten-Glücklichmacher zur Ablenkung bei großen Sorgen:

1. Modern Family schauen mit Lena
2. Popcorn aus der Mikrowelle
3. Ein Besuch in der Parfümerie Albrecht
4. Yoga mit Nele und Elena
5. Kuscheln mit Emilia und Leonard
6. Ein Kilo weniger auf der Waage
7. Alle meine Wünsche von Grégoire Delacourt
8. Der erste Strauß Lilien seit sieben Monaten
9. Frenzy Girl (sowohl der Blog als auch der Nagellack)
10. Natürlich ein schönes Glas Rotwein, was sonst?