Freitag, 30. November 2012

Drama, baby...

Kennt Ihr das? Wenn soviel passiert bzw. es soviel zu erzählen gibt, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll und deshalb einfach gar nichts sagt? So ging es mir in den letzten Tagen, aber nach einer längeren Schweigepause habe ich mich nun doch aufgerafft und zum Glück meinen Laptop zwischen gefühlten 8000 Umzugskartons wiederentdeckt - und hier sitze ich nun.
Als erstes kann ich berichten, dass nach einem knappen halben Jahr Lenas tägliche intravenöse Antimykotika-Therapie endlich beendet ist. Am Montag wurde ihr Fall auf der monatlichen Tumorkonferenz abermals intensiv diskutiert und am Dienstag hatten wir ein längeres Gespräch mit Professor Schwabe, der damals auch die Diagnose gestellt hat. Es war irgendwie ein bisschen gruselig, fast wie ein Deja-Vu, plötzlich wieder im gleichen Zimmer zu sitzen, zufälligerweise auch wie schon beim ersten Mal an einem Dienstag, und darauf zu warten, welche Worte wohl diesmal dem Professorenmund entfleuchen würden. 
Glücklicherweise können wir uns aktuell aber nicht beschweren. Die tägliche 800-Euro-Caspofungin-Ration gehört  - hoffentlich für alle Zeiten - der Vergangenheit an. Aus diesem Grund kann ihr nun auch endlich der Hickmann-Katheter entfernt werden. Die Operation ist für den 17.12. geplant, was auf den Tag genau zehn Monate nach der OP ist, bei dem ihr der Katheter eingepflanzt wurde. In der kommenden Woche erhält sie wieder ihren monatlichen Chemoblock, der aber üblicherweise ambulant durchgeführt wird. Sobald sie keinen "Hicki" mehr hat, wird sie die Chemotherapie entweder per Braunüle oder Spritze bekommen. Außerdem stehen für die nächsten 12 Monate weiterhin die täglichen Chemotabletten auf dem Medikationsplan, die tägliche orale Pilztherapie sowie diverse Antibiotika, die sie ebenfalls jeden Tag einwerfen muss. Damit uns nicht langweilig wird, fahren wir bis September nächsten Jahres ein- bis zweimal wöchentlich zur Blutbildkontrolle in die Klinik, denn Lenas Werte lassen leider weiter eher zu wünschen übrig. Sie reagiert auch auf die minimalsten Chemodosen extrem empfindlich, aber ich interpretiere das ganz optimistisch als Zeichen dafür, dass der Scheiß (sorry...) offensichtlich sehr wirksam ist und die Leukämie in den nächsten Jahren in Schach halten wird. Wenn sie fünf Jahre ohne Rezidiv schafft, gilt sie als geheilt. Bis dahin wird sich unser Leben vorwiegend zwischen Hoffen und Bangen bewegen, aber mit jedem Tag, der ohne schlechte Nachrichten vergeht, schlägt das Pendel zugunsten der Hoffnung aus. Wir schmeißen alles in die Waagschale, was geht - Lena hat sich am Dienstag zu dem sehr symbolischen Akt hinreißen lassen, unsere letzte verbleibende Caspofungin-Flasche mit ganzer Kraft zu zerstören und so soll es weitergehen. 
Anbei das "Caspo-Drama" in drei Akten:

 
Exposition


Höhe-/Wendepunkt, Peripetie  


  
Katastrophe
Tragisches Ende des Dramas aus Sicht der Flasche

Zeitlich gesehen passt das Ende der täglichen Infusionen natürlich sehr gut zu einer weiteren, wenn auch beiweitem nicht so dramatischen Herausforderung meines bzw. unseres Lebens, dem Umzug. 
Manchmal denke ich, dass ich mich bei der ganzen Sache doch etwas weit aus dem Fenster gelehnt habe, aber nun gibt es kein Zurück mehr - am 12. Dezember steht der Umzugswagen bzw. vermutlich eine ganze Kolonne von LKWs vor der Tür und bis dahin muss alles hübsch in Kisten verpackt sein. Bei zwei Erwachsenen, drei Kindern und einem Hund kommt da schon ganz schön was zusammen. Normalerweise habe ich ja eine blühende Phantasie, aber hier lässt mich mein Vorstellungsvermögen, wie ich das alles so hinbekommen soll, doch etwas im Stich. Heute Abend muss die Packerei auf jeden Fall ruhen, denn dann muss das Mütterchen noch schnell drei selbstgebastelte Adventskalender füllen und von den Kindern unbemerkt in den jeweiligen Zimmern anbringen. Zwischen all den Kartons die nötige Vorweihnachtsstimmung zu erzeugen, ist gar nicht so einfach. Vielleicht wickele ich einfach Lichterketten um all die Papptürme, die überall im Haus rumstehen.

Obwohl dieser Blog ja kein Buch ist, möchte ich heute trotzdem an den Schluss eine kleine Danksagung setzen: 
Ich danke meinen beiden Freundinnen Sandra und Sarah, die mich letzte Woche mit einem mehr als köstlichen Dinner überrascht haben, was sie mir bei uns zuhause in der Küche zubereitet haben. Es gab Blumen und meinen Lieblingswein und ich war wirklich zu Tränen gerührt... Außerdem bedanke ich mich bei Martina und Caspar, die mir aus Hannover persönlich eine Suppe vorbeigebracht haben und freue mich über die vielen lieben Angebote, mich zu bekochen und zu umsorgen. Auch wenn ich sie noch nicht in Anspruch genommen habe, ist Aufatmen nicht angesagt, liebe Freunde - ich werde darauf zurückkommen... :-)
Insgesamt stelle ich fest, dass sich das Jammern hierzulande doch lohnt. Es ist zwar nicht sehr sexy, aber das Ergebnis stimmt - und das ist schließlich die Hauptsache!
In diesem Sinne,
ein schönes Wochenende und einen schönen ersten Advent!